Die ukrainische Künstlerin Katarse im Neuköllner Salon

Die Innstraße 10, direkt hinter dem Sportplatz des Rixdorfer SV, ist ein typisches Neuköllner Gründerzeithaus mit einem ebenso typischem Hausdurchgang. Der Durchgang ist in den letzten Jahren mit viel Mühe und Liebe zurechtgemacht worden: Seit 2017 befindet sich dort der Ausstellungs- und Veranstaltungsort des Neuköllner Salon e.V. "Ich hatte die Wohnung nebenan gemietet", erzählt Tim Boroewitsch, einer der Gründungsmitglieder des Vereins, "und saß irgendwann bei Kerzenlicht zusammen mit Freundinnen und Freunden in diesem ungenutzten Durchgang und wir dachten: Hier müssen wir was machen." Gemeinsam gründeten sie den Neuköllner Salon e.V., der sich als "Forum des Austauschs über kunst-, architektur-, stadt- und denkmalhistorische sowie gesellschaftliche und politische Themen und über den Bezirk Neukölln" versteht, so die Beschreibung auf der eigenen Webseite. Der Verein beteiligte sich seither zwei Mal an den 48 Stunden Neukölln, kuratierte mehrere Ausstellungen, darunter eine zu den Veränderungen und Problemen auf dem Wohnungsmarkt. Jede Veranstaltung lasse ein Stück von sich zurück, sagt Tim, wodurch der Raum immer weiter wachse. Mittlerweile steht ein Tresen dort, seit kurzem hängen runde Lampen von der Decke, finanziert aus dem Aktionsfonds des Quartiersmanagements Harzer Straße. Neben den Lampen gab es noch Aktionsfonds-Mittel für die technische Ausstattung und für Baumaterialien. Anlass für den Kauf der Lampen war die vom 9. bis 11. Dezember 2022 laufende Bilderausstellung der ukrainischen Künstlerin Katarse.

Katarse ist in der südukrainischen Hafenstadt Tschornomorsk aufgewachsen und hat in der westukrainischen Srtadt Lwiw zunächst Philosophie studiert. Später ist sie nach Flensburg gezogen, um dort Kunst- und Kulturgeschichte zu studieren. Schon während des Studiums hat sie auch selbst Kunst gemacht und an mehreren Street Art Projekten teilgenommen. Ihr Fokus lag zu dieser Zeit auf Pilzen, auf der "Magie" in deren Werden und Vergehen . Während einer Performance in einem Wald bei Flensburg lernte sie Max kennen, der wiederum zum Kreis des Neuköllner Salon gehört. Aus dem Kontakt entwickelte sich eine künstlerische Zusammenarbeit, letztes Jahr gestaltete Katarse das aktuelle Plattencover für Max' Band. Als Max erfuhr, dass Katarse eine Reihe neuer Bilder als Reaktion auf den Krieg malte, regte er die Ausstellung an, die die Mitglieder des Salon schließlich in einem vierwöchigen Kraftakt auf die Beine stellten.

In den teils großformatigen Gemälden, die nach dem russischen Einmarsch am 24. Februar entstanden sind, geht es um die Wut, die Angst, die Fantasien, um die "Gedankensuppe", die die russische Aggression in Katarse ausgelöst haben. Es sind figurative Szenen, Träume, Überlagerungen, bei denen mystische Alptraumwesen oder Soldaten in heile Kinderwelten eindringen.

Das Malen solcher Szenen sei Ausdruck der vielschichtigen Gefühlswelt. Gegen die Angst und die Wut helfe das Malen aber nicht, erzählt Katarse: "Ich habe nach dem Malen die gleichen Gefühle wie vorher." Ihre Mutter und ihre Schwester leben noch in Tschornomorsk, sie selbst war das letzte Mal vor dem russischen Einmarsch dort. Sie telefonieren viel, aufgrund der russischen Angriffe falle aber oft der Strom und das Internet aus. Die räumliche Distanz führe dazu, dass sich die Bilder vom Krieg in ihrer Vorstellungswelt verselbständigten: "Ich habe das Gefühl, dass meine Fantasien im Kopf oft schlimmer sind als die Realität." Eine Lösung werde es erst geben, wenn Russland die Ukraine verlassen habe.

Neben Katarse kamen noch andere junge Ukrainerinnen zur Ausstellungseröffnung. Der Neuköllner Salon e.V. kooperiert mit einer ukrainischen Hilfsorganisation, die auch den Kontakt zum Singer-Songwriter Rostizlav Masurkevitch herstellte, der die Ausstellung eröffnete. Zum dreitägigen Ausstellungsprogramm gehörten noch ein Künstlerinnen-Gespräch, eine Lesung und ukrainisches Essen.