Lingo Bingo auf Tour
Mit dem Gefährt, auf dem ein Laptop und ein Projektor stehen, ziehen Claire Terrien und Lili Jenks in unregelmäßigen Abständen durch die Treptower Straße oder das Kiehlufer und fragen Passant:innen ‚Wollt ihr ein Spiel machen?‘ Oder auch ‚Do you want to play a game?‘ Denn de beiden Künstlerinnen jonglieren nicht nur selber mühelos zwischen mehreren Sprachen – Muttersprache Französisch, außerdem Englisch, Deutsch und Spanisch fließend- sondern sie lieben die Mehrsprachigkeit im Kiez. Sie finden: es ist einfach nett, ein paar Worte in einer anderen Sprache zu lernen. „Wenn man neu nach Deutschland zieht und die Sprache noch nicht kann, wird das oft als Hindernis empfunden, aber es ist auch eine tolle Ressource“, erklärt Lili.
Ein Gemeinschaftsprojekt mit Menschen aus dem Kiez
An diesem Freitagabend ziehen sie ihren besonderen „Spielwagen“ am Kiehlufer entlang und sprechen Menschen an, die auf den Bänken sitzen. Manche haben keine Lust oder sind gerade in ein Gespräch vertieft, aber die meisten sind doch neugierig, was es mit diesem Spiel auf sich hat. Zwei junge Spanier sind gleich mit dabei. Sie sollen sich auf dem Laptop ein Video anschauen, in dem ihnen anhand von Obst- und Gemüsesorten die kurdischen Wörter für Farben beigebracht werden. Anschließend wird abgefragt, was hängen geblieben ist. Wer die Antwort weiß, drückt den Buzzer und bekommt den Punkt. Lili und Claire erzählen, dass alle Videos zusammen mit Bewohner:innen aus dem Viertel entstanden sind, beispielsweise mit dem kurdischsprachigen Gemüsehändler in der Sonnenallee. Anschließend haben sie es mit Zeichentricktechniken und Collagen aufgepeppt.
Kulturaustausch und Bildungsangebot in einem
Als nächstes spielen drei junge arabischsprachige Männer. Sie haben es besonders schwer: zu lernen sind die Farben in der Berbersprache. Überrascht stellen sie fest, dass einige Wörter die gleichen sind wie im Arabischen. „Das ist immer ein toller Effekt, wenn die Leute merken, wie die Sprachen miteinander verwandt sind und sich gegenseitig bereichern und verändern“, sagt Lili. Vor dem Nahkauf werden zwei Mütter mit ihren Kindern auf den Lingo Bingo-Wagen aufmerksam. Die Frauen sprechen nicht viel Deutsch und die Kinder gehen noch nicht zur Schule. Kein Problem, es wird ein Video in Gebärdesprache gezeigt. Gefühle wie „Liebe“ oder „Angst“ zu gebärden, sorgt für viele Lacher und Aha-Effekte.
Zuschuss aus dem Aktionsfonds für Beamer
Für die beiden Performerinnen ist Lingo Bingo ein Bildungsangebot, das Menschen unterschiedlichen Alters und Herkunft zusammenbringt. Entstanden ist die Idee dieser Straßenkunst-Intervention während der Pandemie, als nur draußen Aktivitäten möglich waren. Den Rollstuhl haben sie selber Corona-gerecht umgebaut, ursprünglich ermöglichte er genau den vorgeschrieben Abstand von 1,50 Meter. Kürzlich haben sie über den Aktionsfonds des Quartiersmanagement Harzer Straße einen Beamer angeschafft. Vor allem in der dunklen Jahreszeit können sie nun auf große Mauern oder Flächen projizieren. „Das zieht automatisch jede Menge Leute an“, erklärt Claire.