„Politik fängt vor der Haustür an“

Foto: Birgit Leiß

Als „internationaler Arbeitsmigrant“, wie er sich selber bezeichnet, bringt er einschlägige Erfahrungen mit. Singapur, Türkei und Dänemark waren einige Stationen seines Lebens. „In Dänemark wird von Eingewanderten Assimilation erwartet, da wird sogar kontrolliert, ob man zu Hause mit den Kindern Dänisch spricht“, berichtet der 42-Jährige. Das war auch der Hauptgrund, warum er 2015 von Kopenhagen in den Harzer Kiez zog. Der promovierte Wissenschafts- und Techniksoziologe, der keinen großen Wert auf seinen Doktortitel legt, findet: Mehrsprachigkeit ist ein großer Schatz. Auch an den Schulen sollte die Sprachenvielfalt endlich als Stärke begriffen werden: „Warum nicht Türkisch oder Arabisch an den Schulen anbieten, für alle? Ich fände das gut.“

Verkehrsberuhigung ist eine Frage der sozialen Gerechtigkeit

Ingmar Lippert bezeichnet sich selbst als „weiß und privilegiert.“ Einen Teil dieser Privilegien habe er aufgegeben, als er seine Tochter in der Hans-Fallada-Schule einschulen ließ, statt sie, wie viele andere Eltern, an einer Schule in Treptow anzumelden. Er könne die Vielfalt nach wie vor wertschätzen, auch wenn er als Vater und Klassenelternsprecher die Erfahrung gemacht hat, dass migrantische Familien oft schwer zu erreichen sind. Auf dem Spielplatz sei es noch gemischt, in der Schule gebe es unsichtbare Barrieren. Dabei sei es so wichtig, die Zivilgesellschaft weiterzuentwickeln – mit allen Menschen, die hier leben. Neben der Schulsituation bewegt ihn das Thema Verkehr. Ingmar engagiert sich in einer Initiative, die im Harzer Kiez einen sogenannten Kiezblock einrichten will, um den Durchgangsverkehr draußen zu halten. „Die Treptower Straße wird extrem schnell befahren und das Kiehlufer ist zur Zeit leider ein viel befahrener Schleichweg zur Sonnenallee“. Wenn erst einmal die Autobahnanschlusstellen eröffnet sind, werde das noch viel schlimmer, fürchtet er. Dass Kiezblocks manchen als Gentrifizierungsmotor gelten, ist ihm bewusst. Er argumentiert mit Umweltgerechtigkeit:: „Weniger Verkehr ist wesentlich gesünder für alle Menschen, die hier leben.“

Lust und Frust bei der Beteiligung

Doch warum engagiert sich ein viel beschäftiger Vater, der zudem beruflich zwischen Berlin, Kopenhagen und Cottbus pendelt, im Quartiersrat? „Ich diskutiere gerne und ich möchte mich konstruktiv einbringen“, erklärt er. Von der Rolle des Quartiersrats ist er allerdings enttäuscht. Es sei ein Beteiligungsgremium, aber kein Rat dem eigentlichen Wortsinn nach: „Ich hatte erwartet, dass wir nicht nur Feedback-Instrument sind, sondern eine leitende Funktion haben.“ Statt beispielsweise über das IHEK (Integriertes Handlungs- und Entwicklungskonzept) lediglich abzustimmen, würde er es lieber mitverfassen. Dass viele Quartiersrats-Mitglieder damit zeitlich und inhaltlich überfordert wären, ist ihm bewusst.