Das Wohnzimmer für die Nachbarschaft

Fotos: Birgit Leiß

Ein Montagnachmittag Anfang Oktober. In dem 22 Quadratmeter großen Raum wuseln etwa 10 Kinder umher, einige mit ihren Müttern. An einem Tisch verlöten drei Kinder unter fachkundiger Anleitung von Saman Platinen. Hochkonzentriert führen sie den Lötkolben. Am anderen Tisch bauen die Kinder aus einem Pappbecher, einem Vibrationsmotor und einer Knopfzellenbatterie einen Zeichenroboter. Anschließend wird das fantasievoll dekorierte Gebilde auf ein Blatt Papier gesetzt und es kritzelt los. Die kleine Mathilde hat es mit der Deko ein bisschen übertrieben. Ihr Roboter ist mit all den Flauschfedern und Glitzerfolie zu schwer und bewegt sich nicht. „Schade, aber wir probieren es zu Hause nochmal“, tröstet sie ihre Mutter. „Es hat mir trotzdem ganz viel Spaß gemacht“, sagt Mathilde und strahlt.

Reparieren statt wegwerfen

Die Idee zum Elektronik-Basteln hatte Ellen Reitmayr. Über den Aktionsfonds hat die Anwohnerin Geld beantragt, um einen Grundstock von Werkzeugen, Bastelmaterialien und Elektronik-Bausätzen anzuschaffen. Der Workshop wird künftig jeden zweiten Montag angeboten, und zwar kostenlos (Spenden willkommen). Ellen Reitmayr freut sich sehr über die gute Resonanz. „Auch beim ersten Mal im September war ganz schön viel Trubel und manche Kinder sind heute zum zweiten Mal gekommen.“ erzählt sie. Kaum sind die Kids weg, beginnt das Repair Cafe: Als erstes kommt eine junge Frau mit einem Wasserkocher. Das Kabel ist durchgeschmort. „Viel zu schade zum Wegschmeißen“ findet sie.“ Saman, der Elektrotechnik studiert hat, packt gleich sein Werkzeug aus und macht sich an die Arbeit. Es dauert ein wenig, aber dann hat er es geschafft. Der Wasserkocher funktioniert wieder. Auch ein Kaffeefilter und ein Küchenmixer werden an diesem Abend noch erfolgreich repariert. Das Repair Lab findet ebenfalls jeden 2.Montag im Monat statt.

Ein unglaublicher Glücksfall

Open Tiny hat eine erstaunliche Geschichte. Seit 2008 stand der ehemalige Zeitungskiosk leer. Tina Keller, die Gründerin von Open Tiny, kannte ihn vom Vorbeigehen. Sie machte den Eigentümer ausfindig - die Deutsche Wohnen - und warb über ein Jahr lang für ihre Idee, daraus einen Ort für die Nachbarschaft im Harzer Kiez zu machen. Schließlich konnte der zwischenzeitlich gegründete Verein einen Mietvertrag unterzeichnen, der geradezu unglaublich klingt: 10 Jahre Laufzeit und das alles mietfrei. Über bezirkliche Fördermittel wurde im Corona-Winter renoviert und im Juni 2021 war dann die Eröffnung.

Kleidertauschparty und Filmabend

„Am Anfang hatten wir extrem viele Anfragen für Ausstellungen, aber das war eigentlich nicht unser Hauptinteresse“, erzählt Tina Keller „Die Idee ist, seine Hobbies mit der Nachbarschaft zu teilen.“Regelmäßig finden Kleidertauschparties und Plattenbörsen statt und alle zwei Wochen ist Filmabend. Alles ist ehrenamtlich und selbstverwaltet organisiert. Wer Lust hat, eine Spielgruppe oder einen Eltern-Kind-Treff zu gründen, kann sich einfach melden oder beim Plenum jeden 1. Dienstag im Monat vorbeischauen. Auch Lesungen, kleinere Konzerte, Sprachautausch oder Info-Veranstaltungen sind denkbar. Der Raum kann kostenlos genutzt werden.