Einrichtungen im Harzer Kiez: Der ökologische Spielplatz Wilde Rübe
Das grüne Kinderreich Neuköllns
In der Wildenbruchstr. 25 gibt es seit 1976 eine wuchernde grüne Oase für Kinder: Dort können sie gärtnern, sich um Tiere kümmern, oder einfach nur Spaß haben. Ein Gespräch mit den Betreuer:innen der Wilden Rübe Anna, Ferdinand und Burak.
Der Eingang ist diskret, trotz der bunten Fassade fällt der zurückgesetzte Flachbau kaum auf. Erst beim Betreten des Spielplatzes bemerkt man die blühenden Sträucher, das üppige Grün, die Ställe mit Schweinen und Kaninchen, viele farbige Bienenstöcke, Heimat von bis zu 300.000 Bienen. Dahinter liegt eine großzügige Wiese mit Spielgerät und Hochbeeten, von hohen Brandmauern begrenzt, mit Graffitis verziert. Wer die Wilde Rübe betritt, verlässt das dicht besiedelte Neukölln und entdeckt ein kleines Naturreich, das nur für Kinder geschaffen wurde.
In einem Verschlag liegt ein gut genährtes Schwein, mit braunen Borsten, die Augen halb geöffnet, es wirkt wie vor Wonne erschlagen. “Darf ich vorstellen, das ist Falko”, schmunzelt Erzieher Ferdinand, “der lässt sich immer und von jedem streicheln”. Das ist vermutlich das Geheimnis seiner Glückseligkeit. “Sein Bruder Andreas ist dafür eher schüchtern”. In der Tat hält Andreas immer ein paar Meter Abstand und steht meistens seitlich, wie aus Vorsicht. Sein Bauch berührt dabei fast den Boden. Ihren Gattungsnamen verdienen Andreas und Falko allemal: Es sind Hängebauchschweine.
Direkt neben dem Schweinegehege ist der Kaninchenstall, ein absolutes Highlight für die Kinder. “Um die Kaninchen zu füttern, hätten die Kinder sich fast geprügelt”, meint Anna, “für das Säubern des Stalls ist der Andrang nicht so groß”. Die Tiere sind aber nicht nur Spielgefährten. Die Kinder lernen, sich um sie zu kümmern, sie zu füttern, zu pflegen, die Ställe auszumisten. Das begeistert die Kinder restlos und sie schwärmen von der Arbeit mit Tieren, wie Familienbetreuer:innen des Jugendamts berichten. Gröbere Aufgaben, wie das jährliche Schleifen der Stoßzähne der Schweine, macht eine spezialisierte Klinik. Und wenn ein neues Tier dazukommt, wird über seinen Namen abgestimmt: Für das neue Kaninchen ist Bobi gerade der Favorit, im Mittelfeld liegen Maya, Miguel und Mila. Jackie Chan und Bufòn haben hingegen kaum Chancen.
Und so sehr der Spielplatz den Kindern gefällt, so sehr schätzen die drei Erzieher:innen ihren Arbeitsplatz. “Es ist wirklich vielseitig hier, das ist einfach super”, sagt Anna, die seit 2019 dabei ist. Denn neben der Tierpflege können die Kinder auch noch ökologisches Gärtnern lernen, einmal im Jahr Honig selber ernten, oder die Seilbahn oder andere Geräte nutzen. An ganz heißen Tagen gibt es sogar ein Becken zum Planschen. “Sie sind auch überwiegend friedlich”, meint Burak, der dritte Erzieher im Bunde. “Es gibt zwar Konstellationen, aber nie echten Streit.”
Die Corona-Zeit hingegen war hart. Maximal 25 Kinder durften kommen, üblicherweise besuchen täglich 40 bis 50 Kinder den Spielplatz. Der Flachbau durfte nicht genutzt werden, dafür machten die Erzieher:innen Feuer und sorgten für warme Getränke. Die jährlichen Reisen für bis zu zehn Kinder fielen auch aus, was die Erzieher:innen sehr bereuten. Zwar können die Reisen anstrengend sein, aber sie machen “echt Spaß”. Besonders weniger betuchten Familien erlauben sie, ihren Kindern Ferien zu bieten. Die Reiseziele klingen verlockend: Stralsund, oder der Timmendorfer Strand bei Lübeck, mit einem “traumhaft schönen” Haus, direkt am Meer.
Über die Jahre hat sich auch die Herkunft der Kinder sehr verändert. Jetzt kämen sie zu “90 Prozent” aus Roma-Familien, deren Anteil in der Gegend seit anderthalb Jahrzehnten stetig zunahm. Das Viertel zwischen der Wilden Rübe und der Kreuzung Harzer und Treptower Straße nenne man “Ferentari”, wie ein Viertel Bukarests, in dem sozial schwächere Menschen wohnen, laut Familienbetreuer:innen die manche Roma-Familien unterstützen. In letzter Zeit gab es auch Zuzug aus Westeuropa, meist besser situierte Menschen. Die in unmittelbarer Nähe entstehenden Neubauten zeugen vom Wandel. Für die Kinder spielt die Herkunft jedoch keine wichtige Rolle. Wenn mal nach ihr gefragt wird, dann ist es meist “aus Neugierde”. Viele Kinder antworteten jedoch ausweichend auf solche Fragen, nähmen aber keinen Anstoß daran.
Was die Kinder in der Wilden Rübe neben allem anderen bekommen, ist Aufmerksamkeit. Wenn sie aus Familien mit bis zu zehn Kindern kommen, kann diese manchmal Mangelware sein. Oft wollen sie einfach nur plaudern und sich mit den Erzieher:innen unterhalten. Dafür steht diesen ein Team von rund zehn “Peer Helpern” zur Seite, die Aktivitäten wie Sport, Basteln und Kochen anbieten.
Eins steht außer Frage: Die grüne Oase mitten in Neukölln schätzen die sechs- bis 14-Jährigen sehr. Denn von den zahlreichen Kindern, die in den letzten 45 Jahren die Wilde Rübe besuchten, kommen viele als Erwachsene auf einen kurzen Besuch vorbei. Auch wenn sie damals sich noch nicht um Schweine und Hasen kümmern durften, so verbinden sie glückliche Erinnerungen mit diesem Ort.